Secession

Ägyptisch, assyrisch oder indisch, viel mehr noch spanisch kam das neue Ausstellungsgebäude der Secessionisten den Wiener Zeitgenossen vor, als es 1898 erstmals seine Tore öffnete. An die üppigen Neo-Renaissance und Neo-Barockformen der Ringstraßenbauten gewöhnt, irritierte sie die einfache Erscheinung des weiß-goldenen Kunsttempels. Der Beitrag von Otto Kapfinger erläutert u. a., wie kompliziert der Architekt Joseph Maria Olbrich die scheinbare Schlichtheit herstellte. Olbrich war wie Gustav Klimt, Carl Moll oder Kolo Moser Gründungsmitglied der Künstlervereinigung Secession. Sie verstand sich als Sammelbecken moderner Strömungen, von denen der in weichen Linien fließende und pflanzliche Ornamente bevorzugende Jugendstil nur eine war.  Kaum gegründet (April 1897), suchte die Künstlervereinigung nach einem Grundstück für ein eigenes Ausstellungshaus, fand es nach dem gescheiterten Versuch, an der repräsentativen Ringstraße Fuß zu fassen, am Karlsplatz, und eröffnete die Secession bereits im November 1898. 

Der Otto Wagner-Pavillon am Karlsplatz

Entstanden ist der Jugendstil-Pavillon 1898 im Zuge der Errichtung der Stadtbahn. Otto Wagner konzipierte zwei identisch gestaltete Portalgebäude. Das Wien Museum nützt heute den westlichen Pavillon, von wo einst die Züge nach Hütteldorf fuhren.  Wagners Gestaltung war revolutionär: Die vielen dekorativen Details machen die Station zu einem Musterbeispiel des Wiener Jugendstils. Metall und Holz wurden in Apfelgrün gestrichen, der Signalfarbe der Stadtbahn. Hinzu kam Gold und edler weißer Marmor an der Außenseite.
Anlässlich der Planung des U-Bahn-Knotens Karlsplatz drohte in den späten 1960er Jahren der Abriss der Pavillons. Es kam zu Protesten, die Stationsgebäude wurden schließlich demontiert und 1977 wieder aufgestellt, jedoch 1,5 m über dem alten Platzniveau. Im westlichen Pavillon wird Otto Wagner endlich die Reverenz erwiesen, die dem großen Baukünstler gebührt